Fall 2: Ein Bruch

 

 

Zürich 2016: In der Limmatstadt regiert das Verbrechen. Nicht nur auf den Strassen im Kreis 4, auch im neu eröffneten und noblen Museum des Weltfussballverbandes, das einer Weltstadt neue Besucher bescheren soll. Doch der unerschrockene Polizeipräsident Pilch und seine drei Mitarbeiter der Kripo Zürich sind noch da...

 

Pilch: „Kottan, wir haben einen Einbruch und einen prominenten Toten.“

 

Kottan: „Wir? Haben sie auch einen Bruch?“ Es ist Sonntagmorgen, 06:30, mit Müh und Not stemmt Hauptwachmeister Kottan sein linkes, eingegipste Bein auf das mit Erdnüssen übersäte Fernsehtischchen . Er erinnert sich, um 23:30 eingeschlafen zu sein, aber nicht mehr, mit welcher Sendung. „Es ist 06:30, spinnen sie!“

 

Pilch: „Ich bin ihr Polizeipräsident, Kottan. Ein guter Polizist ist immer in Einsatz. Hören sie, bewegen sie sich mit ihrer Mannschaft sofort zum Tatort. Ich werde derweil die heulende Pressewelt in Schach halten.“

 

Von den 3 Einsatzleuten des Kriminalkommissariats Zürich gingen zwei an Krücken. Der Tatort war das neue FIFA Museum beim Bahnhof Enge in Zürich. In der riesigen Glastüre, dem Eingang, klaffte ein kreisrundes Loch. Davor standen vier Streifenpolizisten und ein schwankender Zivilist, in einigem Abstand ein paar schaulustige Passanten.

 

Bitte weitergehen,“ schnauzte ein Uniformierter Kottan, der sich nur mit Mühe auf seinem Bein halten konnte, Schremser und den verdutzten Schrammel, an.

Noch eine solche Bemerkung und sie dürfen sich morgen bei Präsident Pilch entschuldigen, also was ist hier los?“ Schremser hatte sich als erster gefasst und dem vorlauten Polizisten seinen Ausweis unter die Nase gehalten, bevor dieser weitersprechen konnte.

Zurechtgestutzt und kleinlaut, ganz offensichtlich war ihm Pilch nicht unbekannt, fasste der Polizist den Stand der Dinge zusammen: “Dieser betrunkene Gentlemen“, dabei neigte er abfällig seinen Kopf Richtung Zivilist, „hat uns um 06:00 informiert, dass hier ein Toter liegen würde, und die Haupttüre aufgebrochen sei. Wir haben die Kripo informiert und sind hierher gefahren. Wir sind noch nicht an den Tatort, haben gedacht, das machen besser die Spezialisten und so. Von draussen sieht man tatsächlich einen Toten drinnen liegen, da gleich neben dem Original des Jules Rimet Pokals.“

 

Kottan zückte sein Iphone und sagte in kleinlautem Ton: „Hab ganz vergessen die Spurensicherung zu bestellen.“ Und in bestimmtem, beinahe befehlsmässigem Ton fügte er bei: „Schrammel, du gehst mal rein, bis die Spurensicherung da ist.“

Durch das Loch im Glas“, fragte ein aufgeschreckter Schrammel.

Na sicher, ich lass inzwischen den Portier und den FIFA Chef kommen, damit sie mir und Paul aufschliessen.“

 

Eine Minute später hört man sehr bestimmt ausgesprochene Worte aus dem Inneren des FIFA Museums: „Der Kaiser ist tot.“

Sie vermuten richtig es ist nicht Franz von Österreich, sondern Beckenbauer, Franz von Bayern.

 

Weitere 15 Minuten später klopft Kottan auf den Kopf der deutschen Lichtgestalt. Es tönt hohl.

 

Was sagen sie da, Kottan, kein Toter! Das ist ja schrecklich, ich habe bereits die internationale Presse bestellt, und meinen Coiffeur, für die Konferenz, sie verstehen.“

 

Vollkommen.“ Kottan beobachtet Schrammel, wie dieser den geschundenen Pappkameraden Franz auf die Beine stellte. Sein Blick entdeckte eine Visitenkarte auf dem Boden, gleich neben der lebensgrossen Nachbildung des bayrischen Weltmeisters. 'Schweizer Fernsehen DRS, Sportabteilung', mit Adresse, Telefon usw. Dabei fiel Kottan ein, dass er am Vorabend zur Schweizer Sportschau eingeschlafen war.

 

Die Truppe humpelte ins Büro und wartete bei einem Kaffee auf die Ergebnisse der Spurensicherung. Im Büro nebenan raufte sich ein entnervter Pilch die Haare. Nicht für den Coiffeur, sondern weil sich ihm der neue Kaffeeautomat verweigerte.

 

Definitiv kein Fall für uns“, sagte Kottan zu den Kollegen nach seinem Gespräch mit der Spurensicherung. „Kein Toter im ganzen Haus, dafür ist viel von der Ausstellung scheinbar wahllos beschädigt worden, und an einer Glasscheibe beim Eingang wurden Blutspuren gefunden.“

 

Nicht nur der Montag ist verregnet, auch die Stimmung der 3 Kriminalbeamten im Zürcher Polizeigebäude. Die Stimmung verdüstert sich, wie Präsident Pilch unter dem Türrahmen erscheint, ein Taschentuch in seiner Hand, mit dem er wohl Trauer vorschützen will: „Es ist zum Verzweifeln, keine rechten Verbrechen mehr in dieser angeblichen Weltstadt. Nur noch Vandalen. Dabei haben wir die beste Polizei.“

Niemand beachtet den Präsidenten. Kottan will sich eine Camel aus der Tasche klauben und sieht die Visitenkarte in seiner Hand.

Paul, ruf doch mal, beim Fernsehen, Abteilung Sport, an. Frag, ob jemand von ihnen kürzlich das FIFA Museum besucht hat.“

Wieso rufst du nicht selber an, ich hab zu tun, muss meine Spesenabrechnung vom Sonntagmorgen fertig schreiben, du weisst doch, Pilch und so.“

Ich kann nicht, ich darf nicht. Es könnte ja sein, dass Rainer Salzgeber abnimmt.“

Ja und?“ fragt nicht Paul Schremser, sondern Alfred Schrammel, der offensichtlich nicht seinen verlorenen Schlaf vom Sonntagmorgen nachzuholt.

Ich hab eine Allergie gegen Walliser Deutsch. Jawohl, schaut nicht so blöd. Wenn es sein muss, bringe ich ein ärztliches Attest.“

Paul nahm den Hörer und murmelte: „Dann muss es eine Allergie gegen Pilch sein, die mich jeden Montag so schlapp macht, wenn ich zur Arbeit muss.“

 

Nichts Ungewöhnliches bekannt beim Sender. Also dann, ich mach mich auf den Heimweg. Hab heute genug gemacht. Und ich hab so ein Kribbeln in der Nase, ich glaub, das ist meine Allergie. Also dann...“

 

Kottan stemmte sein Gipsbein aufs Fernsehtischchen, stiess dabei eine Schale Chips um und begann zu zappen. 'Einer gegen Hundert, heute mit einem Prominenten. Gilbert Gress ist Gast bei Susanne Kunz', verkündete eine muntere Tagesschausprecherin, wie wenn damit den Zuschauern ein besonders vergnüglicher Abend bevorstehen würde.

Um 20:50 wachte Kottan auf, wollte den roten Knopf drücken, doch ein kleines Detail an Gilbert Gress machte ihn plötzlich hellwach.

 

Keine Allergie gegen Elsässer Deutsch-Französisch?“ Der sarkastische Schremser hielt

Kottan eine Packung Claritin unter die Nase, als dieser den Hörer abnahm.

Herr Gress, könnten sie bitte zu einer Routinebefragung ins Kripogebäude kommen? 11:30 passt ausgezeichnet. Bis dann und vielen Dank.“

 

Und bitte Herr Präsident, sprechen sie während der Vernehmung nicht, ich möchte den Zeugen Gress nicht unnötig erschrecken.“

Aber ich darf ihn doch begrüssen, den Herrn Gress. Immerhin ist er fast so prominent wie ich selber.“

 

Eine Frechheit, dieses FIFA Museum. Alles mögliche stellen sie aus, sogar eine lebensgrosse Puppe von Franz Beckenbauer. Ich, ich bin in Straßburg ein Gott, verstehen sie, ein Gott. Und fragen sie in Marseille oder Neuchâtel. Kaiser, dass ich nicht lache. Der musste sich an der WM in Italien Teamchef nennen, weil er nicht einmal ein Trainerdiplom besitzt. Und so hat er auch trainiert. Eine Frechheit. Aber sagen sie, wie sind sie draufgekommen?“

 

Ich bin übrigens ganz ihrer Meinung. Sie gehören ganz sicher in dieses Museum. Es war das Pflaster an ihrer Hand.“

 

 

Schreibbüro Toni Saller: b-schreiben.ch, Ethnologe, Schreibarbeiter, Ideenbüro und frühpensionierter Informatiker, tonisaller@hotmail.com

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