Zürich 2016: In der Limmatstadt regiert das Verbrechen. Besonders in den von der Finanzkrise durchgeschüttelten Banken. Doch der unerschrockene Polizeipräsident Pilch und seine drei Mitarbeiter der Kripo Zürich sind noch da...
„Määähähähä...“
„Kottan, sind sie das? Reden sie doch etwas deutlicher.“
Kottan hielt sein Iphone näher zum Schaf. „Besser so“, rief er ins Gerät, und fügte bei, „schicken sie mir Schrammel und Schremser in den Uetlihof.“
„Ich glaube nicht, dass Kottan das nötige Fingerspitzengefühl hat für diesen heiklen Fall. Ich werde die Leitung also persönlich übernehmen.“ Präsident Pilch dozierte weiter, lange nachdem Schremser und Schrammel das Büro auf dem Kasernenareal Richtung Uetlihof verlassen hatten.
MD, Management Director und Finanzchef Mark Sanders liegt im Gras am Rand der Wabe 5 vom grössten Bürogebäude der zweitgrössten Bank der Schweiz. Zwei Männer des Facility Services bewachen in 5 Meter Abstand die ansonsten hier grasenden Schafe am Fusse des Uetlibergs.
Das Iphone von Kottan brummt schon wieder. „Wie steht es, Kottan, ich brauche Informationen, in 2 Stunden beginnt die Pressekonferenz. Ein toter Management Director im Gras, grauenhaft, was wollte er da?“
„Sicherlich nicht grasen.“
„Was sagen sie, ein Engländer. Auch das noch, jetzt wo uns das Land nach dem Brexit so nahe steht.“
Kottan gab sein Telefon kopfschüttelnd an Schremser weiter: „Wir wissen nur, dass der Mann eine Spezialmission hatte und wie es aussieht, vom Dach gefallen ist, oder...“
„Oder was? Ich sitze hier auf Nadeln, auf glühenden Kohlen, Schremser, die internationale Presse...“
„...er ist vom Dach gestossen worden. Weil es ziemlich schwierig ist, da herunterzufallen. Oder...“
„...bitte Schremseeer...“
„Er ist selber gesprungen.“
„Ich bitte sie, Adjutant Schremser. Ich selber bin Management Director. Wenn man einmal in einer solchen Position ist, ganz oben, dann denkt man nicht an so etwas, ausgeschlossen.“ Paul hatte mittlerweile Lautsprecher und Mikrophon aktiviert, er wollte seine Kollegen am Gespräch teilhaben lassen.
„Leider, muss man da in gewissen Fällen sagen.“
„Waren sie das, Wachtmeister Kottan? Koottaaaan....das wird noch Konsequenzen haben. Ich habe jetzt aber keine Zeit für solche Lausbubenwitze. Ich werde gleich nach der Pressekonferenz eine Weisung an alle grossen Zürcher Unternehmen verschicken, damit sie die Zugänge zu den Dachtrassen ihrer Häuser vorerst sperren, bis der Fall geklärt ist.“
„Brillante Idee. Bei uns können sie beginnen,“ meinte Schremser, und vollführte mit seiner Krücke eine kräftige Stossbewegung.
„Danke für den Hinweis, jetzt aber rasch zur Aufklärung.“
Die drei Beamten wanderten durch die 'Waben' des Bürokomplexes und stellten am Ende ihres Rundganges fest: „Der Stimmung nach könnte wohl jeder in diesem Haus der Täter sein.“
„3000 Verdächtige, sollen wir die alle in Untersuchungshaft nehmen?“ Das war die Frage von Schrammel.
„So du Schlaumeier, dann mach doch mal diesen Vorschlag unserem Chef, Management Director Pilch.“ Kottan schüttelte den Kopf.
„Aber wie sollen wir das faule Ei herauspicken?“ Paul nippte an seinem Kaffee. Die drei sassen lustlos in der überfüllten Pausenzone der Ebene 10. So wie sie verspürte wohl niemand in diesem Haus den Drang, grosse Stricke zu verreissen, oder war es der tote Direktor, der hier diskutiert wurde?
„Ob der historischen Tiefkurs von unter 10 Franken den Banker zum Sprung anspornte, immerhin ist weniger Bonus fällig?“ Paul lächelte süffisant zu seinem geschmacklosen Spruch, der von Kottan prompt im Sinne von Direktor Pilch kommentiert wird: „Adjutant Schremser, ich bitte sie, die Bemerkung ist vermerkt!“
„Schon gut, ich habe eine Idee...“
Die Pausenzone ist leer, alle Mitarbeiter schauen gebannt auf die erste Seite des Intranets der Grossbank, wo neben einem schwarzen Kreuz ein schwarzer Titel verkündet: 'Ein guter Mensch und Freund musste uns nach einem tragischen Unfall viel zu früh verlassen.'
Die drei Ermittler sitzen zum Mittagessen bei Fleischkäse, Pommes Frites und Spiegelei im nahe gelegenen Spunten 'Schützenruh', gleich beim Albisgüetli.
„Sanders war in Zürich, um einen Teil der Pensionskassengelder für Spekulationen an der Londoner Börse frei zu bekommen. Wenn das kein Grund ist.“ Schremser schob sich bei Bekanntgabe seiner Neuigkeit genüsslich ein Stück Fleischkäse in den Mund.
„Und wieso hast du dann die Meldung verbreiten lassen, dass es ein Unfall war“, Schrammel verschluckte sich sogleich an einem Pommes Frites.
„Der Stolz, Schrammel, der Stolz. Wir kitzeln am Stolz des Verbrechers, der für seine Tat Anerkennung will.“
„Und von unserem Präsidenten und MD in einer Pressekonferenz erwähnt werden will. Was gibt es für ein grösseres....“, Kottan verschluckte sich an einem Pommes Frites.
„Können sie den Absender ermitteln?“ Schremser und Co. standen hinter dem Security Officer und starrten auf das von allen Mitarbeitern erhaltene Mail: 'Von wegen Unfall, der Mann musste wegen unsozialem Verhalten über die Klinge springen.'
„Ich hab ihn schon. Hier ist seine Location. Wirklich naiv der Typ. Nachdem wir 2 Mitarbeiter entlassen mussten, die während der Arbeit einen Kommentar auf InsideParadeplatz absetzten, müsste doch jeder hier wissen, ich meine, sie verstehen, Big Brother und so.“
„Bravo Schremser, eine gute Idee mit dem Stolz. Hochmut kommt vor dem Fall, das wird der Titel für meine Pressekonferenz. Und sagen sie dem Mann, er könne nun seine Pension bei uns beziehen, die wird nicht verspekuliert. Kleiner Scherz Schremser, das darf doch auch einmal sein.“
Schreibbüro Toni Saller: b-schreiben.ch, tonisaller@hotmail.com
Kommentar schreiben